Interview mit Sportschütze André Link

Die Olympischen Spiele in Rio waren das größte Sportfest der Welt. Es war bereits die 31. Olympiade und die erste in Südamerika. 11 458 Sportler aus 206 Nationen kämpften in 306 Wettbewerben und 28 Sportarten um Medaillen. Unter den Teilnehmern war auch Sportschütze André Link aus Pforzheim, der von der Sparkasse Pforzheim Calw unterstützt wurde. Direkt nach den Spielen hat er uns einige Fragen zu seinen Erlebnissen beantwortet.

André, die deutschen Schützen waren bei der Olympiade so gut wie noch nie. Du bist in Deinem Wettbewerb in Rio Fünfter geworden? Bist Du zufrieden damit?

Ja, durch den Erfolg der anderen war die Stimmung im Team super. Ich konnte befreit von Gedanken wie „jetzt muss ich das noch rumreißen, sonst gehen die Schützen wieder ohne Medaille nach Hause und verschwinden in der Bedeutungslosigkeit“, an den Wettkampf herangehen. Ich konnte meinen Wettkampf ohne Druck von außen angehen. Der Druck, den ich mir selbst mache, reicht mir vollkommen aus. Hätte mir vorher jemand den 5. Platz als endgültige Platzierung angeboten, hätte ich ihn ohne weiter nachzudenken genommen. Ich weiß natürlich, dass während des Wettkampfs dann mehr drin war und ich auch noch Chancen auf eine Medaille und auch auf Gold hatte. Zum Schluss musste ich mich aber drei deutlich erfahreneren Schützen und meinem direktesten Rivalen geschlagen geben. Mit dem streite ich mich nun seit 2013 im Juniorenbereich und nun auch bei den Erwachsenen bei allen möglichen internationalen Wettkämpfen um die Medaillen.

Wie haben Dir die Unterkünfte gefallen?

Naja, so richtig gefallen konnten die einem nicht. Es waren Apartments mit je drei Bädern, 4 Zimmern, einem „Wohnzimmer“ und einem Balkon. Soweit so gut, leider war die Einrichtung der Inbegriff des Wortes „karg“: Weißer Boden, weiße Wände, weiße Decke, ein kleiner Tisch und ein paar Sitzsäcke im Wohnzimmer, Betten, billige, schlecht zusammengebaute Nachttische und ein kleiner Aufstellschrank aus Stoff (wie ihn manche vielleicht zum Campen mitnehmen würden) in den Zimmern. Das war‘s dann aber auch schon. Damit hatte ich aber noch Glück, denn immerhin gab es in meinem Zimmer keine Baumängel. Bei einem unserer Trainer lief das Wasser in der Dusche kaum ab, bei einem anderen kam es dafür durch die Decke und es hat angefangen zu Schimmeln. Im Zimmer neben mir war ein Schlauch in der Klimaanlage kaputt bzw. nicht richtig fest, so dass diese ca. einen Liter Kondenswasser pro Stunde produziert hat, welches dann die Wand hinuntergelaufen ist. Von den zahlreichen Fällen verstopfter Toiletten, von denen man gehört hat, waren wir glücklicherweise nicht betroffen. Aber vom „Gefällt mir“-Status waren die Unterbringungen ein gutes Stück entfernt.

Gab es ein komisches Erlebnis hinter den Kulissen?

Komisch eigentlich nicht, das einzige Erwähnenswerte war der kollektive Verlust aller deutschen Sportwaffen und Ausrüstungen beim Rückflug, die wir dann aber alle zur deutschen Meisterschaft nachgeliefert bekommen haben.

Wie war das Essen?

Ich habe mir sagen lassen, dass es bei vergangenen Olympischen Spielen schon schlimmer war. Es war eigentlich ganz in Ordnung. Aber eben keine kulinarische Sensation, was man aber auch nicht erwarten kann, wenn die Mensa täglich 10 000 Personen satt bekommen muss, da gilt dann eben Masse statt Klasse. Nachdem man einmal ein bisschen durchprobiert hatte, wusste man ungefähr, was man essen konnte und was nicht ganz so empfehlenswert war. Das konnte man sich dann mit Pfeffer, Salz, Ketchup und Tabasco hinbiegen.

War es heiß in Rio?

Ja und nein. Die meisten Tage waren (auch wenn es dort „tiefster Winter“ war) ziemlich warm. Zwischen 25 und 32°C würde ich sagen. Ein paar Tage waren aber auch ziemlich kalt, zumindest gefühlt, aber 15°C kommen einem in Brasilien, wenn es die Tage davor und danach um die 30°C hatte, eben wirklich kalt vor. Vor allem weil es grundsätzlich immer sehr feucht war.

Hattest Du keine Angst vor Krankheiten?

Darüber habe ich mir keine großen Gedanken gemacht. Wir waren im April bereits zu einem Weltcup in Rio und kamen alle ohne Zika wieder heim. Im August, hieß es, seien die Temperaturen deutlich niedriger (was zumindest nachts auch stimmte) und damit die Mücken deutlich weniger aktiv. Zudem waren wir ja alle mit reichlich „Anti-Brumm“ eingedeckt. Außerdem habe ich im nächsten Jahr noch keine Familiengründung geplant und ich selbst hätte die Erkrankung schon überwunden. Auf die Idee, eine Olympiateilnahme wegen einem geringen Restrisiko abzusagen, wäre ich nie gekommen. Im Olympischen Dorf ist dann auch regelmäßig ein Wagen gefahren, der irgendein Anti-Insekten Mittel versprüht hat. Ich habe während den Spielen jedenfalls keine einzige Mücke gesehen, weder im Olympischen Dorf, noch an den Wettkampfstätten oder wo ich mich sonst aufgehalten habe.

Konntest Du Dir auch andere Sportarten anschauen?

Ja, aber weniger, als ich mir vorgenommen hatte. Ich habe mir die Halbfinalspiele Deutschland-Brasilien (Frauen) und Brasilien-Niederlande (Männer) im Beachvolleyball angeschaut und war überwältigt von der Stimmung, die dort geherrscht hat. Aber gleichzeitig auch von der Unsportlichkeit der Brasilianischen Fans, die gegnerische Teams fast noch lauter ausbuhen als sie das eigene anfeuern. Ich hätte mir auch gerne noch die Finals angeschaut, bei der Leichtathletik im Maracana Stadion vorbeigeschaut und mich zu einem Handballspiel gesetzt. Allerdings hat für letzteres wohl jemand, der nicht zu uns gehörte, unsere reservierten Karten abgeholt und wir standen ohne Tickets da. Die anderen Wettkämpfe waren sehr spät, sodass ich niemanden mehr gefunden habe, der mitgehen wollte und jeweils eine Stunde hin und wieder zurück. Alleine im Stadion zu sitzen wollte ich mir dann doch nicht antun.

Hat es sich gelohnt, das Studium zu unterbrechen?

Ja. Ich hoffe, ich kann in Tokio noch einmal an den Start gehen. Aber man kann ja nie wissen, ob man nochmal die Chance bekommt, an Olympischen Spielen teilzunehmen. Abgesehen von den Mängeln bei den Unterbringungen und der Transferorganisation war es ein toller Wettkampf mit vielen Eindrücken, seien sie nun positiv oder negativ, die mir sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben werden. Mit meinem Abschneiden bin ich auch zufrieden, auch wenn ich weiß, dass auch eine Medaille greifbar gewesen wäre. So wie sich die Arbeitswelt im Moment entwickelt, wird meine Generation bis wir 80 sind, arbeiten. Es interessiert mich nicht mehr, ob ich mein Studium mit 23 oder mit 24 Jahren beendet habe und in den Beruf eingestiegen bin, wenn meine Enkel dafür ihren Klassenkammeraden erzählen können, dass ihr Opa mal an den Olympischen Spielen teilgenommen hat und im Finale war.

Was gefällt Dir am Sportschießen?

Beim Schießen sind komplett andere Voraussetzungen wichtig als bei anderen Sportarten. Hier kommt es nicht auf bloße Kraft oder Schnelligkeit an, sondern auf Technik. Die ist zwar in vielen anderen Sportarten auch wichtig, bei uns gibt es aber keine großen Vor- oder Nachteile durch Faktoren, die man schlichtweg nicht ändern kann wie z.B. die Körpergröße, es zählen einzig und allein die Technik, Konzentration, der Umgang mit Nervosität und die Erfahrung, wie man auf Umwelteinflüsse wie z.B. Wind reagiert. Damit hat jeder die gleichen Voraussetzungen.

Würdest Du nochmal nach Brasilien/Rio reisen?

Rio ist in meinen Augen keine schöne Stadt. Es herrscht überall Armut, der Verkehr ist das reinste Chaos. Die Sehenswürdigkeiten haben ihren Namen zwar verdient und sind wirklich sehenswert. Aber da ich sie nun gesehen habe, zieht mich‘s nicht nochmal nach Rio. Die Kombination aus Bergen, Meer und Urwald macht die Landschaft dort zwar wunderschön, Rio lässt sich aber meines Erachtens nach in diesem Gesamtbild mit einem Pickel in einem schönen Gesicht vergleichen. Es gibt viele schöne Orte auf der Welt, die ich mir gerne noch ansehen würde. Dass auf der Liste noch Platz für einen zweiten Besuch in Rio ist, glaube ich im Moment eher nicht. Brasilien im Allgemeinen schließe ich aber mal noch nicht aus, da es wie gesagt eine tolle Landschaft besitzt und ja nicht überall von Metropolen verunstaltet wird.

André, wir danken Dir für dieses Gespräch und wünschen Dir alles Gute für Deine weitere Laufbahn.

André hat uns eine Postkarte aus Rio geschickt 🙂