„Wir erzeugen doppelt so viel klimaschädliche Gase pro Kopf wie der durchschnittliche Weltbürger“, machte Prof. Dr. Werner Tillmetz deutlich. Der Wissenschaftler sprach beim Umweltforum der Sparkassen-Stiftung Umweltpreis über das vieldiskutierte Thema „Elektromobilität im Alltag“. Und der Elektrochemiker, der die Brennstoffzelle bei Mercedes einst mitentwickelt hat, nahm in der Calwer Kundenhalle kein Blatt vor den Mund. Prof. Dr. Michael Schwarz hatte in seiner Einführung nicht zu viel versprochen.
„Deutschland ist alles andere als ein Vorbild im Klimawandel. Wir haben die letzten Jahre gar nichts getan. Die Politik hat total versagt.“ Der renommierte Elektrochemiker konnte Aussagen wie diese anhand von Schaubildern untermauern. Und auch anschaulich machen, dass die Gesamtemissionen Deutschlands seit 1990 stetig zugenommen haben. Um die ursprünglich vereinbarten Klimaziele zu erreichen, müssten der komplette Verkehr bis 2020 CO2-frei sein und die Braunkohlekraftwerke sofort abgeschaltet werden. Der trotz verbesserter Technik gestiegene Kohlenstoffdioxod-Ausstoß der Pkw hat nach Aussage des Wissenschaftlers jedermann bekannte Ursachen: Die Autos sind größer, schwerer, durch den SUV-Boom auch höher und leistungsstärker geworden.
Das langjährige Vorstandsmitglied am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg hat eine klare Vorstellung vom künftigen Antiebsmix: Elektromotor und – als Diesel-Ersatz – Brennstoffzelle. Denn während der Diesel nur einen Wirkungsgrad von lediglich 20 bis 25 Prozent vorweisen könne, erreiche die Brennstoffzelle einen Wert von 40 bis 50 Prozent, die Batterie sogar 70 bis 80 Prozent.
Einwände, dass gar nicht genügend Strom für die Elektrifizierung des Pkw-Verkehrs in Deutschland resourcenschonend erzeugt werden könne, wiederlegte der Experte. 20 Quadratmeter Fotovoltaik auf dem Carport produzieren seinen Berechnungen zufolge Strom für 12 000 Kilometer im Jahr. 90 Prozent aller Ladevorgänge könnten zuhause stattfinden, der Rest beim Arbeitgeber, völlig ausreichend für die durchschnittlichen 40 Kilometer Fahrleistung pro Tag. Und mit den über 50 Terawatt Strom, die 2017 als Überschuss ins Ausland verkauft wurden, könnten laut Werner Tillmetz locker 20 Millionen E-Autos betrieben werden. Eine Stückzahl, die bereits in sieben Jahren erreicht sein soll.
Während beim E-Auto das hohe Gewicht der Litium-Ionen-Akkus noch immer ein berechtiger Kritikpunkt sei, benötige die Brennstoffzelle einen solchen Speicher gar nicht. Denn sie erzeugt ihren Strom in galvanischen Zellen durch eine chemische Reaktion aus Wasserstoff und dem Sauerstoff der Luft selbst. Das ist umweltfreundlich, denn als Abgas entsteht lediglich Wasserdampf. „Tanken dauert drei Minuten, Reichweite 500 Kilometer“, warb der Naturwissenschaftler. Über 300 Kilometer Reichweite sei die Brennstoffzelle dem Akku-Elektroantrieb in puncto Gewicht und Volumen überlegen. Das Problem: Die nötige Infrastruktur ist noch nicht vorhanden. Aktuell gibt es nur 50 Tankstellen, 350 sollen aber in den nächsten Jahren dazukommen.
„Willkommen in der dritten industriellen Revolution“, machte Prof. Tillmetz die Umwälzungen deutlich, die auf die Autoindustrie zukkommen. Bei der Produktion der Fahrzeuge seinen deutsche Hersteller „noch auf Augenhöhe“, bei den Batterien haben wir’s verpasst.“
Eine aufschlussreiche Duskussion schloss sich an, wobei die enorm viel Energie verbrauchende Herstellung der Batterien nicht zur Sprache kam.
Das Umweltforum wird, wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Hans Neuweiler in seiner Begrüßung erläuterte, alle zwei Jahre veranstaltet. In den Jahren dazwischen verleiht die 1995 gegründete Stiftung die mit bis zu 10 000 Euro dotierten Umweltpreise.
Fotos: Andreas Laich; Prof. Dr. Tillmetz zog die Besucher beim Umweltforum in der Calwer Sparkassen-Kundenhalle durch seinen mitreißenden Vortrag über Elektromobilität in seinen Bann. Zwei Ensembles der Musikschule Calw umrahmten die Veranstaltung.