Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Pforzheimer Zeitung.
Pforzheim. In den Tagen nach der Ankündigung umfassender Zölle durch die USA kannten die Börsenkurse nur eine Richtung: steil nach unten. Dies sorgte für Verunsicherung bei Anlegern. Gegenüber der PZ sprechen Stefan Saile, Bereichsdirektor S-Vermögen der Sparkasse Pforzheim Calw, und Emanuel Bock, Abteilungsleiter Kompetenzcenter Vermögen der Volksbank pur, über die heftigen Kursabschläge, die mögliche weitere Entwicklung an den Börsen und sie geben Ratschläge, wie sich Anleger verhalten sollten.
Warum reagieren die Börsen trotz erwarteter Importzölle mit so hohen Kursabschlägen?
An den Finanzmärkten habe man mit Zollerhöhungen gerechnet, aber nicht in dem Ausmaß,
sagt Stefan Saile.
Besonders die für 9. April angekündigten Vergeltungszölle der USA gingen über die Erwartungen hinaus. „Dies ist ein Realitätsschock für den globalen Freihandel, da sich die Wirtschaft darauf einstellen muss, dass Zölle zum dauerhaften Instrument der US-Wirtschaftspolitik werden.
Meist seien es die Umsetzungsdetails und das Ausmaß, die die Märkte plötzlich verunsicherten, so Emanuel Bock. Börsen agierten oft nach dem Prinzip „Sell the news“ – auch bekannte Risiken könnten beim Eintreten starke Reaktionen auslösen. „Zudem sind die globalen Lieferketten stark verflochten“ – neue Barrieren wirkten sich nicht nur auf betroffene Unternehmen aus, sondern führten zu genereller Unsicherheit. „Die Sorge vor der Verlangsamung des Welthandels und dem Wiederaufleben von Deglobalisierungstendenzen belastet gerade exportorientierte Märkte wie Deutschland.“ Nicht zuletzt sei die allgemeine Stimmung an den Märkten angeschlagen: Viele Investoren seien angesichts geldpolitischer Unsicherheiten, geopolitischer Konflikte und konjunktureller Schwächesignale nervös.
Womit rechnen Sie für die nächsten Tage und Wochen?
„Die ersten Marktreaktionen auf die Zollankündigungen waren eindeutig“, sagt Stefan Saile. Mit stark fallenden Aktienkursen rund um den Globus, vor allem in den USA, und fallenden Renditen bei Staatsanleihen würden die Sorgen vor einer kräftigen Konjunkturabschwächung überwiegen. Gleichzeitig habe der US-Dollar an Wert verloren – „ein Zeichen dafür, dass die USA aktuell als Teil des Problems gesehen werden und nicht als Teil einer möglichen Lösung“. Gegenmaßnahmen durch die Handelspartner seien wahrscheinlich, was zur Verunsicherung beitrage. Dementsprechend dürften die Kursschwankungen erst mal hoch bleiben.
„Kurzfristig ist mit einer anhaltend hohen Volatilität zu rechnen“,
so Emanuel Bock.
Die Kapitalmärkte dürften auf politische Signale und neue Wirtschaftsdaten reagieren. Ob es zur Stabilisierung kommt, hänge wesentlich davon ab, wie scharf weitere Zölle, besonders seitens der EU, ausfallen, ob es zu Dialogen oder weiteren Eskalationen komme und wie sich konjunkturelle Frühindikatoren entwickelten. Für die kommenden Wochen sehe er zwei mögliche Hauptszenarien: vorsichtige Erholung, falls es Anzeichen für eine Deeskalation oder unterstützende geldpolitische Maßnahmen gebe, oder fortgesetzte Korrektur, falls sich die geopolitische Lage weiter zuspitze oder Konjunkturdaten die Rezessionsängste verstärkten.
Was sollten Anleger jetzt unternehmen?
Offen sei, ob die kommenden Tage und Wochen genug Zeit böten, einen vollumfänglichen Handelskrieg zu vermeiden,
sagte Stefan Saile.
„Solange es zu keiner weiteren Eskalation kommt, sind die Folgen für Wirtschaft und Finanzmärkte verkraftbar.“ Ein panischer Verkauf von Aktien oder anderen Vermögenswerten sei nicht sinnvoll und sollte nur im Notfall erfolgen. Anleger sollten mit ihrem Berater die Anlageziele und die Risiko-Einschätzung überprüfen. Schwächephasen ließen sich auch zum schrittweisen Aufbau von Aktienpositionen nutzen. Für die langfristige Anlage sei es sinnvoll, Aktien zu kaufen, wenn die Unsicherheit an den Märkten zunehme. Dabei sollte auf eine breite Streuung mit dem Fokus auf Qualitätsaktien Wert gelegt werden.
„In turbulenten Phasen ist besonnenes Handeln gefragt“,
so Emanuel Bock.
Man sollte nicht vorschnell verkaufen, sondern das Portfolio prüfen, eventuell Stop-Loss-Marken (Verkauf eines Papiers, wenn es unter einen festgelegten Wert fällt) nachziehen und den Anlagehorizont beachten – historisch gesehen hätten sich die Märkte nach Krisen immer erholt. Ferner seien qualitätsstarke Einzeltitel und substanzstarke Fonds/ ETFs ein stabilisierender Faktor. Und wer Liquidität halte, könne antizyklisch investieren, etwa in Sektoren mit langfristigem Potenzial (Technologie, Gesundheitswesen).
Wem die Börse zu volatil ist: Was sind Anlage-Alternativen?
„Die Erfahrung zeigt, dass in Krisenzeiten die Saat für künftigen Anlageerfolg gelegt wird“,
so Stefan Saile.
Anleger, die wegen der Kursschwankungen mit einem Börseninvestment zögern, sollten eine sichere, kurzfristig verfügbare Bankeinlage zum „Parken“ wählen. Angesichts fallender Zinsen und tendenziell wieder steigender Inflationsraten sei dies aber keine gewinnbringende Strategie, um langfristig Vermögen aufzubauen. Kurzlaufende Anlagen verlören zunehmend an Attraktivität. Sinnvoll für konservative Anleger sei daher der Aufbau einer ausgewogenen Laufzeitenstruktur bei der Geldanlage. Ferner ließen sich mit Rentenfonds die aktuellen Renditeniveaus sichern.
Für risikoscheue Anleger gebe es attraktive Alternativen außerhalb der Aktienmärkte, so Emanuel Bock: eine professionelle Vermögensverwaltung oder ein gut gemanagter Mischfonds, Sparpläne auf breit gestreute Aktienfonds oder ETFs für Anleger mit längerem Anlagehorizont, kurzlaufende Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen guter Bonität, geldmarktnahe Fonds, tagesgeldähnliche Produkte oder Festgelder und nicht zuletzt Gold oder Edelmetalle als klassischer „sicherer Hafen“.
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